Fundierte Kritik an zentralen Lernstandsmessungen übt der Grundschulverband in einer Presseerklärung. Eine umfangreiche Analyse des VERA-Tests zeigte u.a. deutliche Schwachstellen in der Testmethodik und Widersprüche zu aktuellen Lehrplänen auf.
Grundschulverband: VERA: Unbrauchbar und unnötig

Die Ergebnisse von Leistungsuntersuchungen erregen viel Aufsehen und Aufregung, so zuletzt die Ergebnisse der VERgleichsArbeiten (VERA) in sieben SPD-geführten Bundesländern.

Der Grundschulverband hat Aufgabenstellung und Auswertung dieses zentralen Schulleistungstests einer akribischen Analyse unterzogen. Das Ergebnis ist niederschmetternd: „Die Aufgaben sind zum großen Teil unbrauchbar, zum Teil skandalös. Die Ergebnisse sind deshalb Makulatur“, hatte der Grundschulverband seine kritischen Befunde zusammengefasst.
=> Detailliert nachzulesen ist die ebenso grundlegende wie detaillierte Kritik im soeben erschienenen Heft 89 der Zeitschrift „Grundschule aktuell“
(kann hier bestellt werden).

Dabei werden die Ergebnisse in der Öffentlichkeit weithin hingenommen, ohne sie selbst wie ihr Zustandekommen kritisch zu befragen:

Testgläubig werden Ergebnisse hingenommen

An der Universität Landau kamen die Antworten aller 400.000 Schüler zusammen. Testgläubig wird angenommen, dass alles seine Ordnung hat, wenn Großrechner Datenmengen erfassen und Resultate berechnen.

 

Eltern wurden informiert, ihre Kinder in den „Teilleistungsbereichen“ der Fächer Deutsch und Mathematik in drei „Niveaustufen“ einsortiert.

Rückschlüsse über die Qualität einzelner Schulen werden gezogen. In einem „fairen Vergleich“ wurden Schulen in vier „Kontextgruppen“ eingeordnet: „Das reicht von einer Gruppe mit einem sehr guten Sozialgefüge und ohne nennenswerten Anteil von Kindern aus Zuwandererfamilien bis hin zu einer Gruppe, in der viele Familien Sozialhilfe empfangen und der Migrantenanteil sehr hoch ist“, so das NRW-Schulministerium. Gesellschaftspolitisch wie pädagogisch höchst fragwürdiges Schubladendenken!

Schulen stellen sich langfristig darauf ein, zukünftig Jahr für Jahr solche zeitaufwändigen Erhebungen durchführen zu müssen. Das Strickmuster ist nun bekannt, viele Aufgaben verbleiben im „Aufgabenpool“ – ein „teaching to the test“ liegt nahe: Kinder schon in der dritten Klasse auf diese Art Leistungsmessung vorzubereiten, auf Kosten eines kindgemäßen Unterrichts und einer zeitgemäßen Lernkultur.

 

Wesentliche Ziele nicht erfasst

Eine genauere Analyse der Aufgabenstellungen und der Auswertungskriterien der VERA-Tests zeigt eindeutig,

 

dass die Testmethoden (rigide Klausurbedingungen) den Richtlinien für die Grundschule und der modernen Grundschulpädagogik widersprechen,

dass die Aufgaben weder dem Stand der Didaktik entsprechen noch den Aussagen der aktuellen Lehrpläne,

dass sie wesentliche Ziele des Unterrichts nicht erfassen und zum Teil unbrauchbar bis skandalös sind.

 

=> Sehen Sie hierzu im beiliegenden Heft besonders die Beiträge von Dr. Christoph Selter, Professor für Mathematik-Didaktik an der PH Heidelberg („VERbesserungsbedürftige Aufgaben! VERkapptes Ausleseinstrument?“, S. 17 ff.) und von Dipl.Päd. Horst Bartnitzky, Autor zahlreicher Veröffentlichungen zur Deutsch-Didaktik („Ungeeignet und bildungsfern“, S. 19 ff.).

Längst bekannte Ergebnisse – bildungspolitische Konsequenzen: Fehlanzeige!

Die Kultus- und Schulministerien der beteiligten Bundesländer werten die Lernstandserhebungen demgegenüber als großen Erfolg. So werden Ergebnisse beschrieben:

 

„Das Projekt VERA … zeigt für alle Viertklässler aus den jeweiligen Ländern ganz konkret, wo diese in Deutsch und Mathematik Schwächen und Stärken haben und bietet somit die Grundlage für eine verbesserte Förderung der Kinder in der Schule.“

„Im Leseverständnis und beim Sachrechnen – also der Lösung von Textaufgaben – erreicht hingegen nur gut ein Viertel der Kinder das höchste Fähigkeitsniveau.“

„Die Forscher in Landau haben zudem verglichen, wie Kinder, in deren Elternhaus nicht Deutsch gesprochen wird – das waren in NRW etwa zwölf Prozent -, im Vergleich zu den übrigen Schülerinnen und Schülern abschneiden. Das Resultat: Diese Kinder haben durchgehend schlechtere Ergebnisse – zum Teil deutlich. So sinkt die Spitzengruppe beispielsweise in Arithmetik auf 33 Prozent (gegenüber 51 bei den übrigen Kindern) und im Lesen auf acht Prozent (gegenüber 30 bei den übrigen Schülerinnen und Schülern).“

 

All dies ist längst bekannt, umfassend untersucht und belegt – die bildungspolitischen Konsequenzen allerdings werden seit Jahren nicht gezogen.
Der Erkenntniswert ist also gleich null. Angesichts des immensen Arbeitsaufwandes für Lehrerinnen und Lehrer und der Geldmittel, die hier aufgewandt wurden, ist dies ein schulpolitischer Skandal.
Bereits diese wenigen Streiflichter aus der Darstellung der VERA-Ergebnisse in den offiziellen Verlautbarungen zeigen: Der Kaiser hat keine Kleider an!

„Pädagogische Leistungskultur“ – ein Projekt des Grundschulverbandes

Der Grundschulverband setzt dem sein Projekt „Pädagogische Leistungskultur“ entgegen.
Hier werden auch praxistaugliche und didaktisch angemessene Lerndiagnosen für die Lehrerinnen und Lehrer an den Grundschulen erarbeitet.
=> Einige Kostproben finden sich im Heft auf S. 21 ff. (Leistungen im Mathematikunterricht) und S. 24 ff. (Leistungen im Deutschunterricht).
download (pdf, 1,3MB)

Ein grundlegender Band liegt bereits vor:
=> „Leistungen der Kinder wahrnehmen – würdigen – fördern“ (Bartnitzky / Speck-Hamdan 2004)

In diesem Band werden von grundsätzlichen Überlegungen zur pädagogischen Leistungskultur her vier zentrale Arbeitsaspekte der Lehrkräfte anhand praktischer Beispiele illustriert:

 

Leistungen der Kinder wahrnehmen

Leistungen der Kinder würdigen

Kinder individuell fördern

Lernwege öffnen